Island liegt hinter mir...

... und vor mir liegt die Grönlandsee. Keinen Schritt weiter! 3.2 Kilometer entfernt vom Polarkreise endet hier die gemeinsame Reise mit meinem Vater. Irgendwo in den Bergen ist meine Trauer nun verschollen. Aus dem schwersten Moment meines Lebens heraus durfte ich hier die absolute Glückseligkeit und Freiheit erfahren. Mein Vater hat mir das ermöglicht. Ich habe den Tod akzeptiert. Trotzdem fehlt er meinem Leben sehr. Ich vermisse ihn! Ich bin ein Teil von ihm und werde in seinem Namen weiter powern. Er ist der Mann zu dem ich mein ganzes Leben aufschauen werde. Ich bin immer verbunden zu seinem fernen Sternental. Ich hatte mit ihm die allerbesten Momente. Trotzdem er so früh gehen musste war meine Zeit so intensive das es für mehr Leben reicht. Ich habe mit ihm nichts verpasst und habe die grossartigste Vater-Sohn Beziehung. Die absolute Liebe und Verbundenheit!
Hier sitze ich nun und schaue auf den Sonnenuntergang. Durch Regen, Schnee und Tränen bin ich gelaufen. Es ist windstill und wolkenlos. Endlos viele Vögel leben hier. Ich höre wie das Wasser gegen die Brandung donnert. Hinter mir steht ein Leuchturm. Von Leuchturm zu Leuchturm ging meine Reise also. Das Meer kommt mir so gewaltig vor. Ein Buckelwal spring aus dem Wasser und sagt noch einmal gute Nacht bevor ich schlafen geh. Der perfekter Ausklang.
Das Wandern ist nun vorüber doch noch lange nicht meine Reise auf dieser wundervollen Insel. Jetzt freue ich mich auf die Begegnungen die ich in der Zivilisation haben werde. Die wenigen Begegungen die ich bisher hatte, bereicherten meine Reise sehr. Wohin mich der eisige Wind jetzt trägt. Mit meinem Abenteuer im Rücken fühle ich mich stark und lebensfroh.

My favourite colour is red and I know I will never walk alone. My Daddy is tougher than the rest. I keep the light burning.

Walk on,
Euer IceMan

PS: Hier die Bilder von den letzten Tagen meines Abenteuer. Und in Erinnerung an meinen Vater, Bilder von uns zwei:

Lebendig

Ich bin nun seit fast zwei Monaten an der frischen Luft. Tag und Nacht atme ich klarste Luft. Die Zeit hier draußen in der isolierten Wildnis ist meine heilsame Zeit. Mein Puls geht beim Laufen rauf und runter. Er fordert Herz und Muskeln zum arbeiten auf. Das Blut das währenddessen durch meinen Körper gepumpt wird spühlt all die schlechten Giftstoffe heraus, die ich im Alltag eingesammelt habe. Ich fühle mich körperlich und auch geistig, spürbar erholt, unverbraucht und einfach frisch.
Nach einem langen Wandertag gibt es nichts herrlicheres als mein "Wohnzimmer". Endlich raus aus den Gore-Tex Sarg und meinem Körper seine Erholungsphase spenden. Der beste Platz ist dabei an einer Wasserquelle. Wasser ist meine Kostbarkeit!
Von Ásbyrgi ging es jetzt weiter durch die Melrakkaslétta Halbinsel. Eine sehr einsame Gegend mit nur zwei Dörfern jeweils an den Küsten. Ich laufe mitten durch Sumpfgebiet. Östlich von mir verläuft die letzte Bergkette in eine flache Ebene. Meine Sicht ist gewaltig. Ich folge einen Fluss der nach jedem Kilometer einen neuen Wasserfall hervorzaubert. Mal laufe ich 20, 12 oder mal 25km am Tag. Der Zauber der Wildnis lässt mich in jedem Moment vollkommen sein.
Doch auch hier gibt es wieder Momente die mir die Grenzen zeigen und mich ängstlich werden lassen. Ein gewaltiges Gewitter dröhnte über mir. Zusammengerollt auf meiner Isomatte habe ich nervös und unruhig den Hergang des Donnerschalls verfolgt. Auch habe ich mich einmal verlaufen. Stand im Sumpf während eines Unwetters ohne Unterschlupf da. Keine Chance mein Zelt irgendwo aufzubauen. Diese Erfahrungen zeigen mir das ich lerne Veränderungen zu akzeptieren. Veränderungen zu jeder Zeit. Es ist toll das Island mir das zeigt. Ich möchte keinen dieser bedenklichen Momente tauschen. Sie machen mich hoffnungsvoll und stark wenn ich mich bald wieder anstelle, zur Achterbahn der Welt.
Noch drei oder vier Tagesmärsche bis zum grossen Ziel...